BÜROKRATIE, KOSTEN, ZEITAUFWAND? 7 VORURTEILE GEGEN INKLUSION AM ARBEITSPLATZ
Mit Blick auf die Einbindung von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsplatz gibt es immer noch Vorbehalte. Die Jugendherbergen im Nordwesten setzen seit langem auf ein inklusives Unternehmenskonzept und räumen für uns mit 7 typischen Vorurteilen auf. Sie liefern 7 gute Gründe und Erfahrungsberichte aus ihrem Arbeitsalltag, um selbst zum Inklusionsunternehmen zu werden.
1. „Menschen mit Behinderung können nur in Werkstätten angestellt sein.“
Nein, dem ist nicht so: Menschen mit Behinderung sind nicht auf Werkstätten beschränkt. Sie können zum Teil in Werkstätten arbeiten, müssen aber nicht.
Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf vielfältige Arbeitsmöglichkeiten – je nach ihren Interessen, Fähigkeiten und Unterstützungsbedarfen. Die Gesellschaft hat hier die Verpflichtung, diese Teilhabe zu ermöglichen. Das Ziel der Inklusion und Gleichstellung ist es, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt leben und arbeiten können – genau wie alle anderen. Eine dieser Möglichkeiten sind Inklusionsbetriebe. Inklusionsbetriebe sind besondere Firmen, die gezielt Menschen mit und ohne Behinderung zusammen beschäftigen. Sie bieten passende Arbeitsbedingungen und Unterstützung. Viele Menschen mit Behinderung sind zudem hochqualifiziert und können in regulären Arbeitsverhältnissen tätig sein. Sie bringen oft besondere Fähigkeiten und Perspektiven ein.
Die Jugendherbergen im Nordwesten beschäftigen in ihrem Inklusionsunternehmen, der DJH Gemeinsam Arbeiten gGmbH, Menschen mit Behinderung in regulären Arbeitsverhältnissen in allen Bereichen der Jugendherberge, z.B. Rezeption, Service, Küche, Reinigung und Haustechnik. Dies fördert die Inklusion und ermöglicht eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben.
2. „Es gibt doch bereits zahlreiche Inklusionsunternehmen – es muss nicht noch mehr geben.“
Unseres Erachtens gibt es leider bundesweit noch zu wenig Inklusionsunternehmen. Die Jobauswahl für Personen mit Behinderung ist bisher nicht vielfältig genug und auch die mehrwertgenerierenden Vernetzungsmöglichkeiten für die Inklusionsunternehmen untereinander ist bisher nicht ausreichend ausgebaut.
Trotz gesetzlicher Verpflichtung erreichen viele Unternehmen die Inklusionsquote nicht. Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung liegt bei etwa 11 Prozent, was nahezu doppelt so hoch ist wie die von Menschen ohne Behinderung. Im Jahr 2022 erfüllten laut Bundesagentur für Arbeit nur 39 Prozent der Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen ihre gesetzliche Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vollständig. Weitere 36 Prozent erfüllten die Pflicht teilweise, während 25 Prozent die Quote gar nicht erfüllten und keine schwerbehinderten Menschen beschäftigten. Ab 2024 müssen Unternehmen, die ihrer Beschäftigungspflicht nicht nachkommen, mit höheren Ausgleichsabgaben rechnen.
Die Jugendherbergen im Nordwesten haben sich entschieden, ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen. Unsere Motivation war es, Vielfalt zu fördern und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Unsere Mitarbeitenden berichten von positiven Erfahrungen, was zeigt, dass Inklusion nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch eine Chance für Unternehmen darstellt.
3. „In einem Unternehmen können maximal ein paar Menschen mit Behinderung angestellt sein, da die Beschäftigung zu zeitaufwändig ist.“
In Inklusionsunternehmen spielt Zeit eine Rolle, wie in jedem anderen Betrieb auch. Trotzdem entsteht durch den respektvollen Umgang mit Vielfalt und der Zusammenarbeit auf Augenhöhe ein besseres Betriebsklima. So können wirtschaftliche Ziele auch ohne ständigen Zeit- und Leistungsdruck erreicht werden.
Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitenden sind gesetzlich verpflichtet, mindestens 5 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Die Jugendherbergen beschäftigen eine Vielzahl von Mitarbeitenden mit Behinderung in verschiedenen Bereichen. Insgesamt waren im Jahr 2024 74 Mitarbeitende mit Behinderung in unseren vier Inklusionsbetrieben tätig. Die Beschäftigungsquote von Menschen mit Schwerbehinderungen liegt in den Betrieben unseres Inklusionsunternehmens somit bei 40 bis 50 Prozent. Dies zeigt, dass Inklusion in unterschiedlichen Unternehmensgrößen und -bereichen möglich ist.
4. „Menschen mit Behinderung können nicht eigenständig Arbeitsaufträge übernehmen und benötigen dauerhafte Anleitung und Begleitung.“
Das Spektrum des Unterstützungsbedarfes ist sehr weit und personenbezogen. Es gibt sowohl den dauerhaften und immer zu wiederholenden Bedarf an Begleitung und Unterstützung, als auch eigenständig kreativ arbeitende Mitarbeitende und Führungskräfte mit einer Schwerbehinderung. Viele Menschen mit Behinderung sind in der Lage, eigenständig zu arbeiten und benötigen keine dauerhafte Begleitung. Unterstützung kann jedoch zu Beginn oder bei spezifischen Aufgaben hilfreich sein.
Mitarbeitende mit Behinderung übernehmen bei uns eigenständig Aufgaben wie Empfang, Service und Reinigung. Eine gründliche Einarbeitung und individuelle Unterstützung fördern ihre Selbstständigkeit.
5. „Inklusion ist teuer – Unternehmen müssen viel Geld investieren, um ihren Betrieb umzubauen, damit Menschen mit Behinderung dort arbeiten können.“
Es gibt eine Vielzahl von individuellen Fördermöglichkeit für Unternehmen, die Menschen mit Behinderung einstellen, um ggf. die sehr unterschiedlichen und individuellen Anpassungen vornehmen zu können. Die Anpassungen öffnen manchmal auch den Horizont für nicht schwerbehinderte Menschen und zeigen neue Herangehensweisen an Tätigkeiten auf. Auch hier ist der langfristige, atmosphärisch spürbare Mehrwert der ausschlaggebende Faktor.
Die Jugendherbergen haben ihre Arbeitsplätze mit geringem Aufwand angepasst, beispielsweise durch ergonomische Möbel oder barrierefreie Zugänge. Fördermittel wurden genutzt, um notwendige Investitionen zu tätigen.
6. „Ein Inklusionsbetrieb zu sein bedeutet mehr Bürokratie als Mehrwert.“
Die bürokratischen Anforderungen können herausfordernd wirken, jedoch gibt es vielfältige Unterstützung durch Integrationsämter und Fachkräfte für Inklusion. Der Verwaltungs- und Bürokratiefaktor ist der Geringste im Inklusionskontext und wird durch den menschlichen Vielfaltsfaktor mehr als aufgewogen.
Ein zwischenmenschlicher Mehrwert ist täglich und in vielen Situationen für alle beteiligten Mitarbeiter zu spüren und verbessert so das Betriebsklima. Aus unserer Sicht ist der bürokratische Aufwand nicht zu unterschätzen, aber letztlich leistbar.
7. „Mit einem einzigen inklusiven Arbeitsplatz im Unternehmen wird man die gesellschaftliche Herausforderung der Inklusion auch nicht lösen.“
Teilhabe ist ein von der UN Menschenrechtskonvention festgeschriebenes Menschenrecht und nicht einfach eine gesellschaftliche Herausforderung! Es dürfen dabei auch Fehler gemacht werden - Nichts machen ist Stagnation und Unterstützung von Rückschritt!
Jeder einzelne inklusive Arbeitsplatz trägt deshalb zur gesellschaftlichen Inklusion bei und setzt ein Zeichen für Vielfalt und Teilhabe.
Wir setzen auf eine kontinuierliche Erweiterung unseres Inklusionsunternehmens, somit inklusiver Arbeitsplätze und fördern so eine inklusive Unternehmenskultur. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Inklusion am Arbeitsplatz sowohl für Mitarbeitende als auch für das Unternehmen bereichernd ist. Mit Unterstützung und Offenheit können Barrieren überwunden und ein inklusives Arbeitsumfeld geschaffen werden.